Pflanze des Monats November 2021 Vielblütige Weißwurz Polygonatum multiflorum Spargelgewächse, Asparagaceae*
Pflanze des Monats November 2021
Vielblütige Weißwurz Polygonatum multiflorum
Spargelgewächse, Asparagaceae*
Botanik
Je nach Bodenqualität und Standort erreicht die Vielblütige Weißwurz eine Höhe von 30-80 cm. Die ausdauernde Pflanze ist giftig. Der Stängel der Vielblütige Weißwurz ist rund, überhängend, mit wechselständig angeordneten Blättern. Die Blätter sind oval oder breit lanzettlich, 8-15 cm lang und 3-6 cm breit. Auf der Blattoberseite sind sie dunkelgrün unten graugrün. Die hängenden, cremeweißen Blüten besitzen 1-2 cm lange Röhren, die in der Mitte leicht zusammengezogen und leicht trichterartig sind. Am Blütenrand sind grüne Spitzen zu finden. Nach der Blüte bilden sich schwarzblaue ,bereifte Beeren, welche kantige Samen haben. Das Rhizom weist siegelartige Narben auf. Pro Wachstumszyklus bildet sie einen „Knoten“. Die Vielblütige Weißwurz gedeiht in der Krautschicht der Wälder und in Auwälder. Sie bevorzugen frischen, nährstoffreichen, lockeren, kalkreichen Boden.
* In der Literatur werden verschiedene Familien für die Vielblütige Weißwurz angegeben. Darunter sind u.a. die Liliengewächse, Maiglöckchengewächse angebeben. Seit 2009 zählen sie zu den Spargelgewächsen.
Name
Die deutsche Bezeichnung Weißwurz bezieht sich auf das weiße Wurzelrhizom. Vielblütig, weil die Pflanze Blütenbüschel mit 2-5 Blüten bildet.
Der Gattungsname Polygonatum setzt sich aus den griechischen Worten „poly“ = „viel“ und „gony“ = „Knie, Knoten“ zusammen. Der Artname „multiflorum“ = „Vielblütig“ zusammen.
weitere Namen
Schließwurzel, Vielblütiges Salomonssiegel, Wald-Weißwurz, Wald-Salomonssiegel.
Geschichte
Schon Plinius berichtet über eine sagenhafte „Springwurzel“ die kein Mensch, wohl aber ein Specht finden kann. So soll der Grün- oder Schwarzspecht, wenn er Junge hat, das durch einen Keil von Menschenhand verschlossene Nest, mittels einer „Springwurzel“ öffnen können. Diese holt der Vogel, sobald er bemerkt, dass der Höhleneingang zu seinem Nest verschlossen ist. Mit der Wunder-Wurzel im Schnabel kehrt er zur Bruthöhle zurück und siehe da, der Keil „springt aus der Höhlenöffnung“ und der Specht gelangt zu seiner Brut. Will man nun an diese Zauberwurzel gelangen, so muss man laut in die Hände klatschen, das der Specht erschrickt und die begehrte Wurzel fallen lässt.
Mit dieser Zauberwurzel war man im Stande, verborgene Schätze zu finden, selbst wenn sie unter der Erde vergraben lagen, oder durch Schlösser oder gar Dämonen geschützt waren.
Anders als die bekannten Heilkundigen der alten Zeit, lernt der britische Chirurg und Botaniker John Gerard vom einfachen Volk die Anwendung der Vielblütigen Weißwurz und schreibt darüber in seinem Buch „Herball“ (1597). Folgendes berichtet er über die Vielblütige Weißwurz: „Die zerstampfte und als Breiumschlag auf den ausgerenkten Gliedmaßen aufgebrachte Wurzel, die mehrmals erneuert werden sollte, vertreibt die Schmerzen und fügt das Gelenk wieder sehr fest zusammen, und beseitigt auch die Entzündung, falls eine solche vorhanden ist.“
Verwechslung
Die Vielblütige Weißwurz kann mit dem Salomonssiegel (Polygonatum odoratum) verwechselt werden.Dieser wird je nach Standort 15-60 cm hoch und besitzt wie die Vielblütige Weißwurz ein dickes Rhizom. Die Stängel sind kantig, bogenförmig, überhänngend, mit wechselständigen Blättern welche in 2 Zeilen breit elliptisch sind. Die Blütezeit ist von Mai bis Juni. Die Pflanze bildet einzelne Blüten in einer Reihe entlang des Stängels, welche duften.
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Inhaltsstoffe
Steroid-Saponine v.a. das Aglycon Diosgenin, Glycoside, Asparagin, Gerbstoffe, Pflanzenschleim, Chelidonsäure, in Spuren Convallarin, oxalsäure
Heilwirkung
entzündungshemmend, schmerzstillend, adstringierend, Knochenbrüche heilend Bänder und Sehnen sowohl straffend als auch lockernd, auflösen von Blutergüssen, reguliert sanft den Herzmuskel, reguliert die Schleimproduktion des Körpers
Nebenwirkungen/Gegenanzeigen/Giftwirkung
Alle Teile der vielblütigen Weißwurz sind giftig.Vor allem die schwarzblauen Beeren werden von Kindern manchmal mit Heidelbeeren verwechselt. Sie sind im Geschmack süß, mit einer sehr bitteren, seifigen Komponente. Wird die vielblütige Weißwurz innerlich angewendet, kann es zu folgenden Symptomen kommen: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schwindelgefühl, Kopfschmerzen und Atemnot
Frühlingsaustrieb der Vielblütigen Weißwurz Foto: Heidrun Johner-Allmoslöchner
Anwendung
Innerlich
Knochen, Bänder, Sehnen, Muskulatur, Prolaps (einfach), Schleimhäute, Herzmuskelschwäche
Äußerlich
Nagelbettentzündungen, Hämorrhoiden, Furunkel (Breiumschlag),
Volksmedizin: Blaue Flecken, Prellungen, Blutergüsse, Verstauchungen, gerötete Haut, Knochenbrüche, Knochensporne, Bänderdehnung bzw- verkürzte Bänder
Je nach Beschwerdebild sind durchaus Kombinationen mit Ackerschachtelhalm, Frauenmantel, Beinwell oder Homöopathika wie Rhus toxiodendron, Calcium carbonicum möglich und ergänzen die Heilwirkung der Vielblütigen Weißwurz.
Tagesdosis
Tinktur: kleine Dosierung! 1- max. 5 Tropfen
Verwendung
getrocknete Wurzel als Wurzelpulver für Breiumschläge, Homöopathikum, Wurzelabkochung für Auflagen, Tinktur.
Heilsames
Weißwurz-Tinktur nach Matthew Wood
Im Herbst geerntete Rhizome waschen, klein schneiden, in ein Marmeladenglas geben und mit Brandy auffüllen. Eine Mondphase lang ausziehen lassen, abfiltern und in dunkle Glasflaschen abfüllen. Bitte nur kleine Mengen herstellen, da eine lange Lagerung die Qualität der Tinktur verschlechtert.
Kulinarisches
Steffen Guido Fleischhauer schreibt zur Vielblütigen Weißwurz folgendes:
Die jungen Sprosse von April bis Mai zu Spargelgemüse (Kochwasser mehrmals wechseln). Die Wurzel im Herbst zu Kochgemüse, geröstet oder zu Kräutersauce, nachdem sie zerkleinert, in Wasser ausgekocht und abgegossen wurde. Die überlieferte Verwendung ist kritisch zu betrachten. Vorsicht! Alle Pflanzenteile, vor allem die Beeren, können auch Erbrechen hervorrufen. Dafür verantwortlich ist wahrscheinlich der hohe Saponingehalt vgl. Roth et al, (1994). Diese widersprüchlichen Aussagen hängen wohl entscheidend mit der Verarbeitung zusammen wie auch mit regionalen und saisonalen Schwankungen der Pflanzeninhaltsstoffe und unterschiedlicher Verträglichkeiten einzelner Menschen. Saponine und die zusätzlich enthaltene Oxalsäure sind wasserlöslich (durch mehrmaliges Kochen in frischem Wasser); vgl. Couplan (1983).
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Poetisches
Der Schwarzspecht ist ein Kräutermann
Kennt manches Zauberkraut im Tann,
Das im Verborgnen sprießet.
Er hält ob einer Wurzel wacht,
Die alle Schlösser springen macht
Und jede Tür erschließet.
***
Rudolf Baumbach (1840-1905)
Quellen
Fleischhauer, Steffen Guido; „Enzyklopädie der essbaren Wildpflanzen“; AT-Verlag Aarau, München 5. Auflage, 2008 ISBN: 3-85502-889-3
Hensel, Wolfgang; „Welche Giftpflanze ist das?“; Kosmos Naturführer Franckh-Kosmos Verlags GmbH&Co.KG, stuttgart 2006; ISBN: 978-3-440-10745-4
Hirsch, Siegrid; Grünberger, Felix; „Die Kräuter in meinem Garten“; Freya-Verlag 2012 (Neuüberarbeitung) ISBN: 978-3-902134-79-0
Scherf, Gertrud; „Die geheimnisvolle Welt der Zauberpflanzen und Hexenkräuter, Mythos und Magie heimischer Wild- und Kulturpflanzen“; BLV Buchverlag GmbH & Co. KG München, 3. durchgesehene Auflage/Neuausgabe ISBN: 978-3-8354-0260-7
Schmeil, Otto; „Flora von Deutschland und seinen angrenzenden Gebieten“; Quelle & Meyer Bestimmungsbücher Heidelberg 1982, 87. völlig überarbeitete und erweiterte Auflage ISBN: 3-494- 38 00327-0
Spohn, Margot, Aichle, Dietmar, Golte-Bechtle, Marianne; Spohn, Roland; „Was blüht denn da?“; Franckh-Kosmos Verlags-GmbH Stuttgart 58. erweiterte und neubearbeitete Auflage 2008 ISBN-13: 978-3-440-11379-0
Wood, Matthew; „Die Weisheit der Pflanzen, überliefertes Heilwissen für die Praxis von heute“; ATVerlag Aarau, München 2012 ISBN: 978-3-03800-581-0
https://www.pflanzen-deutschland.de/Polygonatum_multiflorum.html
https://www.naturadb.de/pflanzen/polygonatum-multiflorum/
Heidrun Johner-Allmoslöchner, zertifizierte Heilpflanzenfachfrau, Leimen; www.naturwerkstatt-artemisia