PFLANZE DES MONATS JUNI (2018)
Sommer-Linde/Winter-Linde
Thilia platyphyllos/T. cordata
Malvengewächse – Malvaceae
Linden-Blüten, Foto: Privat
Einst waren Linden in jeder Dorfgemeinschaft der Mittelpunkt. Unter dem duftenden Baum wurden Feste gefeiert und getanzt, aber auch Gericht gehalten. Linden können uralt werden. Die ältesten Exemplare in Deutschland sind 1000 Jahre alt! Wer weiß, was ein solcher Baum schon alles „gesehen“ hat.
Weltweit gibt es ca. 400 verschiedene Lindenarten, davon kommen in Deutschland nur vier in unseren Laubmischwäldern vor. Bekannt sind vor allem die kleinblättrige Winter-Linde und die großblättrige Sommer-Linde.
Sommerlinde: Der Baum wird ca. 30-35 m hoch und besitzt eine braune, glatte Rinde. Später wird sie dunkler und der Länge nach netzförmig aufgerissen. Die Blätter sind wechselständig, schief herzförmig, 6-10 cm groß, langgestielt, zugespitzt, am Rand gesägt und in den Nervenwinkeln weiß behaart. Die Blüten erscheinen im Juni/Juli sie sind zwittrig und gelblich-weiß. Aus einem zungenförmigen, blassgrünen Hochblatt entspringen 2-5 hängende Blüten. Die Sommerlinde blüht ca. 14 Tage früher als die Winterlinde und hat etwas größere Blüten. Die Früchte sind braune birnenförmige Nüsschen mit 1-2 Samen in der Kapsel.
Winterlinde: Sie erreicht eine Höhe von 25-30 m Höhe. Ihre Rinde ist braun, glatt, und wird später dunkler und reißt der Länge nach netzförmig auf. Die Blätter sind wechselständig angeordnet und schief herzförmig. Sie werden 5-8 cm groß sind langgestielt, besitzen einen behaarten Blattstiel, sind zugespitzt und am Rand gesägt. In den Nervenwinkeln ist eine rote Behaarung und die Blattunterseite ist blaugrün. Die Winterlinde blüht im Juni/Juli und besitzt zwittrige gelblich-weiße Blüten. Diese Blüten entspringen einem zungenförmigen, blassgrünen Hochblatt und sind zu 5-11 hängenden Blüten angeordnet. Die Winterlinde bildet birnenförmige Nüsschen als Samen aus, davon sitzen 1-2 Stück in einer Kapsel.
Name
Woher stammt das deutsche Wort Linde? Der Arzt Lonitzer sagte dazu im 16. Jahrhundert: „Die Linde hat ihren Namen von der Lindigkeit“. Aber es waren eher die weichen biegsamen Äste und Zweige und deren Innenrinde, die ihr zu ihrem Namen verhalfen.“Lentos, lint“ = biegsam, weich war die indogermanische Bezeichnung. Der botanische Name stammt vom griechischen Begriff „tilia“ bzw., „ptilon“ = Flügel, ein Hinweis auf das Deckblatt der Blüten hin.
Lindenblätter, Foto: Privat
Geschichte
Die Linde wurde schon von den Steinzeitmenschen, wie Grabungsfunde zeigen, genutzt. Ob sie die heilenden Blüten nutzten ist nicht bekannt. Den Bast der jungen Zweige verwendeten sie auf verschiedenste Arten. Sie verarbeiteten ihn in ihren Pfahlbauten, als Schlafmatten, Fußbodenmatten und sogar als Kleidungsstücke. Später verarbeiteten die Seiler den Lindenbast zu Matten und Seilen. Um den Bast zu gewinnen, schälte man im Mai die Rinde und trennte die weiche Innenseite ab. Dann ließ man den Bast im Wasser lösen und in der Sonne trocknen und konnte ihn so behandelt weiterverarbeiten. Die Linde ist ein Menschenfreund, gerne wurde sie in der Dorfmitte gepflanzt. Unsere germanischen Vorfahren weihten sie der Göttin Freya. Sie galt ihnen als heiliger Schutzbaum. Die Germanen glaubten Freyas Baum könne bewirken, dass die reine Wahrheit ans Licht komme. Darum wurde die Linde als Gerichts- und Thingbaum verwendet. Weil alles an der Linde so „lind“ war erhofften sich die Menschen mildere Urteile. Freya galt aber auch als Göttin der Liebe. Zahlreiche Liebeslieder und -gedichte erzählen davon. Frohe Feste, Tänze und Liebeslager soll es unter den Linden gegeben haben. Nicht nur den Germanen war die Linde heilig, Römer und Griechen schätzten den Baum ebenso sehr. Berühmt ist die griechische Geschichte von Philemon und Baucis: Hermes und Zeus wanderten über die Erde, um die Menschen zu prüfen. Als zwei arme Wanderer verkleidet, klopften sie an die Türen und baten um Unterkunft. Überall wurden sie unfreundlich und abweisend behandelt. Nur das alte Bauernehepaar Philemon und Baucis, die besonders arm waren, öffneten den Wanderern die Tür. Sie bewirteten die beiden mit allem, was sie noch besaßen. Nach dem Essen sprachen die beiden Fremden von einer bevorstehenden Sintflut und befahlen dem Paar, sofort das Haus zu verlassen. Es stürmte schon bedrohlich, als die beiden, Arm in Arm, das Haus verließen. Sie kämpften sich durch die Regenfluten eine Anhöhe hinauf, genauso, wie es die beiden Wanderer geraten hatten. Es wurden immer finsterer, und die Bäche hatten sich in reißende Fluten verwandelt. Endlich, am Gipfel des Berges angelangt, suchten sie in einer Ruine Unterschlupf und schliefen erschöpft ein. Während sie schliefen, wurde das Dorf, in dem sie gewohnt hatten, und alle anderen menschlichen Behausungen von den Fluten weggerissen. Als Philemon uns Baucis wieder erwachten, war das Unwetter vorbei, und sie entdeckten, dass die beiden Wanderer ihnen das Leben gerettet hatten. Die Ruine, in der sie aufgewacht waren, war ein alter Tempel. Beide lebten noch lange dort und hüteten das verlassene Heiligtum. Sehnlichst wünschten sie sich, nicht durch den Tod getrennt zu werden und an diesem schönen Platz bleiben zu dürfen. Die Götter erfüllten ihnen diesen Wunsch. Baucis verwandelten sie in eine Linde, und Philemon wurde zur Eiche. Eng umschlungen sollen beide Bäume noch jahrhundertelang das Dach des Tempels wie Säulen getragen haben.
Verwechslung
Sommer- bzw. Winterlinde, beide besitzen jedoch die gleiche Heilwirkung.
Inhaltsstoffe
Schleim, Flavonoide, Gerbstoffe, ätherisches Öl, Kaffeesäurederviate, Sexual- und Wuchshormone, Vitamin C und Vitamin E.
Heilwirkung
schweißtreibend, stärkt die Abwehrkräfte, reiz-mildernd (Reizhusten), schmerzlindernd, wärmend, leicht abführend, beruhigend, mild harntreibend, menstruatiosfördernd, hautberuhigend, entzündungshemmend
Nebenwirkungen/Gegenanzeigen
Keine
Anwendung
innerlich:
fierberhafte Erkältungen, als schweißtreibendes Mittel, zur Steigerungder Abwehrkräfte, Linderung des Hustenreizes und bei trockenem Husten. Bei Nervosität und Schlafstörungen (besonders Säuglinge und ältere Menschen),
äußerlich:
Teekompressen zur Haut- und Gesichtspflege, lindernde Auflagen bei Brandwunden, Abszessen, Furunkeln, oder Entzündungen; Augenkompressen bei entzündeten, müden Augen. Mundspülung bei Paradontose.
Tagesdosis
2 bis 4 g Linden-Blüten mit Hochblättern
Verwendung
Tee aus den Blüten zur inneren und äußern Anwendung, Tinktur, homöophatische Essenz
Heilsames
Erkältungstee
Je 20 g Linden-, Holunder-, Mädesüß- und Kamillenblüten und Thymiankraut auf Vorrat mischen. Davon 1 Tl. Teemischung mit 250 ml kochendem Wasser übergießen und 7 Minuten ziehen lassen. 3-mal täglich 1 Tasse trinken. Bei Bedarf mit Honig süßen, so heiß wie möglich trinken. Anschließend im Bett ruhen und die Erkältung gut ausschwitzen. Der Tee senkt das Fieber und wirkt unterstützend aus den Kreislauf.
Kulinarisches
Frische Lindenblütenblätter können im Salat genossen werden oder als Blattgemüse zubereitet werden. Mit den frischen Blüten kann man Desserts aromatisieren, Limonade oder Likör zubereiten.
Lindenblütenknospen, Foto:Privat
Poetisches
Under der linden an der heide,
dâ unser zweier bette was,
dâ mugt ir vinden
schône beide gebrochen bluomen unde gras.
vor dem walde in einem tal –
tandaradei!
schöne sanc die nachtigal.
Ich kam gegangen zuo der ouwe,
dô was mîn friedel komen ê.
da wart ich enpfangen hêre frouwe,
daz ich bin sælic iemer mê.
kuster mich? wol tûsenstunt!
tandaradei!
seht, wie rôt mir ist der munt.
Dô het er gemachet also riche
von bluomen eine bettestat.
des wird noch gelachet innecliche,
kumt iemen an daz selbe pfat.
bî den rôsen er wol mac –
tandaradei!
merken, wâ mirz houbet lac.
Daz er bî mir læge, wessez iemen,
– nu enwelle got – sô schamt ich mich.
wes er mit mir pflæge, niemer niemen
bevinde daz wan er unt ich
und ein kleinez vogellîn!
tandaradei!
daz mag wol getriuwe sîn.
Original: Walther v. der Vogelweide
Quellen
Amann, Prof. Dr. Gottfried; „Bäume und Sträucher des Waldes“; Naturbuch Verlag 1993 Weltbild Verlag, GmbH, Augsburg; 16. Auflage ISBN: 3-89440-558-9
Bühring, Ursel; „Alles über Heilpflanzen – erkennen, anwenden, gesund bleiben“; Eugen Ulmer Verlag 2007 Stuttgart; ISBN: 978-3-8001-4979-7
Strassmann, Renato; „Baumheilkunde – Heilkraft, Mythos und Magie der Bäume“; Freya Verlags KG 2015; ISBN: 978-3-99025-109-6
Heidrun Johner-Allmoslöchner, zertifizierte Heilpflanzenfachfrau, Leimen; www.naturwerkstatt-artemisia.de