Pflanze des Monats Juli 2021 – Große Brennnessel – Urtica dioica

Pflanze des Monats Juli 2021 – Große Brennnessel – Urtica dioica

Pflanze des Monats Juli

Große Brennnessel – Urtica dioica

Brennnesselgewäche – Urticaceae

Junger Brennnesselaustrieb Foto: H. Johner-Allmoslöchner

Botanik

50- 150 cm hohe, mehrjährige Pflanze, kantiger, z.T. rot überlaufener Stängel mit länglichen, grob gesägten, dunkelgrünen, am Grund herzförmigen Blättern, die spitz zulaufen, sie sind kreuzgegenständig angeordnet. Stängel und Blätter sind mit Brenn- und Borstenhaaren besetzt. Die weiblichen Blüten sind unscheinbar, hängend, die männlichen gelblich-grün stehend. Als Frucht bildet sie ein einsamiges kleines Nüsschen. Im Herbst und Frühjahr kann die gelb-grüne Wurzel gegraben werden.

Blütezeit: Juli – Oktober.

Überall außer Arktis, Indien, Südamerika und über 3000 m. Sie wächst an Wegrändern, Schuttplätzen, bei Stallungen, überall, wo Menschen leben.

Name

Urtica hieß die Pflanze bei den Römern, das Wort leitet sich vom lateinischen Verb „urere“ = „brennen“, ab. Der Zusatz „dioica“ bedeutet „zweihäusig“, das bedeutet, dass sich die männlichen und die weiblichen Blüten auf verschiedenen Pflanzenstängeln befinden.

Andere Namen:

Große Brennnessel, Donnernessel, Feuerkraut, Haarnessel, Haarwurz, Hanfnessel, Sengnessel

Eiternessel (Kleine Nessel)

Geschichte

„Das Kraut kenn ich!, sagte der Teufel und setzte sich genüsslich in einen großen Brennnesselbusch, gleich hinterm Haus.“ Dieser Spruch aus dem Kräuterbuch des Dodonäus (16. Jhd.), passt so richtig zu unserer Vorstellung von der Brennnessel. Wir verbinden sie mit einem unangenehmen, unattraktiven Unkraut, dass beisst und brennt und meist in größeren Ansammlungen vorkommt. Sie wächst im Abseits, an Stellen, die wir vernachlässigt haben, wo Unrat und Unordnung herrscht. Sie auszurotten, ist uns zum Glück, nie gelungen. Und doch war ihr Ruf nicht immer schlecht. Größen des Altertums wie Ovid und Horaz haben sie besungen. Der griechische Naturphilosoph Phanias hat ein ganzes Buch über sie geschrieben. Catull, ein römischer Dichter, widmete ihr ein Gedicht und im Kräuterbuch des Hieronymus Bock wird sie an erster Stelle genannt. Albrecht Dürer legte sie auf einem seiner Gemälde einem Engel in die Hände, damit er dieses „Unkraut“ zum Thron des Herren hinaufbringe.

Große Brennnessel, männliche Blüten Foto: H. Johner-Allmoslöchner

Verwechslung

Kann mit der selteneren kleinen Brennnessel (Urtica urens) verwechselt werden. Diese wird 15- 45 cm groß, einhäusig und hat saftig, grüne, rundlich zulaufende Blätter. Die Blütenrispen sind kürzer als die Blattstiele.

Frühjahres-Austrieb der Brennnessel Foto: H. Johner-Allmoslöchner

Inhaltsstoffe

Blätter: bis zu 20% Mineralstoffe (Kieselsäure, Eisen, Mangan, Kalium- Kalziumsalze) Vitamine: A, B2, B5 ,C, E und K, organische Säuren, Aztylcholin, ungesättigte Fettsäuren, Flavonoide und Chlorophyll.

Wurzeln: Gerbstoffe, Phytosterole, Cumarine und Lignane.

Brennhaare: Biogene Amine (Histamin und Serotonin).

Samen: Vit. E, essentielle Fettsäuren und Phytohormone.

Heilwirkung

Brennnessel wirkt harntreibend, stoffwechselanregend und harnsäureabführend, entzündungshemmend und blutbildend. Sie fördert die Milchbildung, wirkt vitalisierend und stärkend. Weiter wirken ihre Wurzeln krampflösend, entzündungshemmend und ausgleichend auf das Immunsystem. Die Samen regen beim Mann die Spermienbildung und Keimdrüsentätigkeit an.

Nebenwirkungen/Gegenanzeigen

Ödeme infolge Herz- Niereninsuffizienz

Anwendung

Innerlich

Zur Durchspülung bei entzündlichen Erkrankungen der ableitenden Harnwege, Anregung der Stoffwechsels, „Frühjahreskur“, Rheuma, Gicht und Hautkrankheiten. Zur Vorbeugung und Behandlung von Nierengrieß, bei Erschöpfung und leichter Blutarmut. Die Wurzeln bei gutartigen Prostatavergrößerungen.

Äußerlich

Urtikation, Brennnesseltinktur bei neuralgischen, arthrotischen und rheumatischen Schmerzen.

Tagesdosis

Blätter: 8-12g, 6-8 Monate lang. Wurzel: 4-6g; zur Langzeitanwendung geeignet.

Verwendung

Frisches oder getrocknetes Kraut für Tee, Tinktur, Presssaft aus der frischen Pflanze, homöopathische Globuli, Wurzel für Tinktur, Samen.

Große Brennnessel mit weiblichen Blüten Foto: H.Johner-Allmoslöchner

Heilsames

Brennnessel-Tee

3EL feingeschnittene, Blätter mit 0,5l heißem Wasser übergießen, 5-10 Minuten ziehen lassen, anschließend abseihen und schluckweise über den Tag verteilt trinken.

Urtikation (nach U. Bühring)

wirkt lokal durchblutungsfördernd, verbessert das Stoffwechselgeschehen, bei schmerzhafter Arthrose.

Mit einem „Brennnesselstrauß“ an 2-3 aufeinander folgenden Tagen täglich auf die schmerzenden Regionen schlagen. Das Nesselgift ruft eine starke Durchblutung der Haut und der tieferen Organbezirke mit einem wohligen, stundenlang anhaltenden Wärmegefühl hervor, das auch bei Hexenschuß oder Ischiasbeschwerden angenehm ist. Anschließend 2-3 Tage lang die betroffene Körperregion nicht waschen, weil sonst das intensive, wohltuende Wärmegefühl wieder in Brennen übergeht.

Kulinarisches

Brennnesseln achtsam mit festem Griff, oder mit Handschuhen pflücken!
Im Frühjahr wird die Brennnessel als Frischsaft für eine Frühjahreskur verwendet. Sie hilft den Körper entschlacken. Die Kur reinigt das Blut, regt Blase und Nieren an, fördert die Tätigkeit von Magen und Darm und regt die Bauchspeicheldrüse an. Brennnesseln sind ein sogenannter Geheimtipp in der Küche, da sie vielseitig einsetzbar sind. Klassisch ist die Brennnesselsuppe, aber auch im Wildkräutersalat sollte sie nicht fehlen. Bekannt ist auch der Brennnesselspinat. Wer mag, kann ihn pur oder gemischt mit anderen Wildkräutern z.B. Sauerampfer, Giersch oder mit Spinat zubereiten. Die Möglichkeiten gehen über Quiches, Omelette, Kuchen, Brot bis zu Limonaden bzw. Sirup und Bier (Nettlebeer).

Poetisches

Botschaft der Brennnessel

(nach Ursula Stumpf: Pflanzengöttinnen und ihre Heilkräuter)

Komm und spinne mit mir den Faden Deines Lebens. Alles was Du dazu brauchst, habe ich in mir, und zeige Dir, wie Du es auch in Dir findest. Denn Du bist genauso einzigartig wie ich. Tief innen in meinem Brennnesselherzen sitzt meine Zähigkeit, mit der ich jedem Wetter und jedem Sturm gewachsen bin. Berühre dich mal mit meinen schwarzen harten Stängel, der jetzt im März am Wegesrand steht, fast nackt – und doch so stark. Kein Wunder, dass kräftige Segel daraus gefertigt wurden. Diese Zähigkeit, hast Du in Dir – sie sitzt in Deiner Wirbelsäule und richtet dich auf. Spürst Du , wie sie Dir den Rücken stärkt? Sie wächst mit jedem grünen Blatt, das jetzt unten zu Füßen meines kahlen Stängels aus dem Boden kommt. Die Blattunterseite ist noch feurig rot – die Haare brennen schon kräftig. Da zeigt sich mein Feuer. Jeder hat Respekt davor. So halte ich alle auf Abstand, die mir zu nahe kommen. Und schütze meinen Raum. Dieses Feuer hast auch Du in Dir. Es zeigt sich in Deinem Rücken. Das macht ganz schön heiß. Es macht kräftig, munter, lebendig – und einfach Spaß.

 

Brennnesselblüten Foto: H. Johner-Allmoslöchner

Brennnessel-Gedanken

Die Brennnessel lehrt und verlangt Aufmerksamkeit bei jedem Schritt! Nur wer sich wach und achtsam der Brennnessel nähert, wird mit ihr Freundschaft schließen. Wer „nicht ganz da ist“, wird feurig in seine Schranken gewiesen. Brennnessel klärt die Aura, aktiviert die Chakren, „putzt“ die Meridiane durch und schafft dadurch Geistesgegenwart. In allen Bereichen des Lebens! Sie ist eine gute Verbündete, wenn Sie sich zu sehr von anderen beeinflussen lassen oder meinen, immer nett sein zu müssen. Sie zeigt Ihnen, dass es in Ordnung ist, Abstand zu halten, Raum für sich zu beanspruchen und ihn anderen zu gewähren. Und ganz nebenbei weckt sie so das Bewusstsein für die Einzigartigkeit eines jeden Menschen und damit verbunden die Aufforderung, genau diese zu leben! Dieses Bewusstsein bringt Durchsetzungsvermögen! Brennnesseln stärken den Solarplexus und leiten dann die Energie weiter zu Herzen. Sie finden Ihren eigenen Willen wieder und setzen sich für sich selber ein. Sie werden sich über ihre eigene Kraft und Zähigkeit wundern! Und mit brennnesselgleicher Vitalität und Energie spüren Sie die Selbstverständlichkeit Ihres Handelns und finden Ihren Platz im Strom des Lebens. Als Quell ewiger Erneuerung.

Ursula Stumpf aus „Kräuter für Körper und Seele“

Im Garten

Die Brennnessel ist „die“ Helferpflanze des Gärtners. Naturnahe Gärtner räumen ihr darum gerne ein Plätzchen in ihrem Garten ein, um von ihren heilenden Kräften zu profitieren

Dem aufmerksamen Gärtner ist ihr Vorkommen ein Hinweis auf den Stickstoffgehalt des Gartenbodens und zeigt ihm einen humosen, nährstoffreichen Boden an. Wo die Brennnessel wächst hinterlässt sie einen guten und ausgeglichenen Boden. Am Bekanntesten aber ist wohl die Brennnesseljauche. Durch sie werden die Pflanzen kräftig gedüngt und widerstandsfähiger gegen Schädlings- und Pilzbefall. Als Aufguß ist sie ein stärkendes Mittel bei Stängelfäule der jungen Pflänzchen im Anzuchtbeet. Man kann diesen Aufguss zu gleichen Teilen mit Kamille und Schachtelhalm ergänzen und so zur Vorbeugung die gefährdeten Pflänzchen damit besprühen. Heilkräuter haben einen höheren Gehalt an ätherischen Ölen, wenn sie Brennnesseln als Nachbarn haben. Tomatenpflanzen kann man ins Pflanzloch eine Stickstoffreserve mitgeben, indem man ein Büschel Brennnesseln hinein gibt, etwas Erde darüber streut und dann die Tomate pflanzt.

Doch nicht nur der Mensch schätzt dieses Unkraut. So hegen drei Schmetterlingsarten eine ganz besondere Beziehung zu ihr. Tag-Pfauenauge, Kleiner Fuchs und Admiral umschwärmen sie eifrig. Sie legen ihre Eier auf die Brennnessel und die geschlüpften Raupen ernähren sich ausschließlich von ihren Blättern. Auch andere Tiere profitieren von ihr als Stärkungs- und Heilmittel. So regt sie bei Hühnern die Legeleistung an, und ein Einstreu aus der getrockneten Pflanze und Farnkraut beugt Ungezieferbefall vor. Hunden verleiht sie glänzendes Fell, Pferde sollen kräftig werden und ebenfalls ein glänzendes Fell bekommen

Garten-Rezept

Brennnesseljauche

Einen Behälter (nicht aus Metall) bis oben mit Brennnesseln füllen, mit (Regen)wasser auffüllen und an einen sonnigen Ort stellen. Das Gebräu fängt bald an zu gären und zu stinken. Eine handvoll Steinmehl hilft den Geruch zu binden. Je nach Witterung ist die Jauche nach ca. 3 Wochen fertig. Sie wird 1:10 mit (Regen)wasser verdünnt und um die Pflanzen gegossen.

Handwerkliches

Brennnessel-Schnur (nach Ursula Stumpf)

Abgestreifte Blätter Foto: H. Johner-Allmoslöchner

Für eine Brennnessel-Schnur mit festem Griff (Handschuhe!) die Blätter abstreifen. Dann den Stängel mit einem scharfen Messer von unten nach oben in 2-4 Teile schneiden. Dabei wird die holzige Innenschicht sichtbar, die von außen mit von einer saftigen grünen Haut umgeben ist. Diese Haut ist die Faserschicht, die Sie brauchen. Mit dem Messer die Faserschicht von der holzigen Innenschicht abziehen.

Brennnessel-Fasern gelöst von der holzigen Innenschicht Foto: H. Johner-Allmoslöchner

Wenn Sie ausreichend Fasern vorbereitet haben (sie sollten noch feucht sein), knoten Sie für die Schnur einige einzelne Faser an einem Ende zusammen. Teilen Sie die Fasern in zwei gleich starke Faserbündel. Jetzt folgt das Verdrillen der Fasern. Halten Sie den Knoten eines Faserstranges zwischen Daumen und Zeigefinger einer Hand (der Haltehand) und zwirbeln Sie ihn dann – gehalten zwischen Daumen und Zeigefinger der anderen Hand – mit einer Drehung vom Körper weg. Sobald die Drehung stark genug ist, ziehen Die dieses gedrehte Bündel unter dem anderen, noch ungedrillten Strang hindurch Richtung Körper und fixieren Sie beide Stränge mit Daumen und Zeigefinger der Haltehand.

Verzwirbeln der Faserstränge Foto: Heidrun Johner-Allmoslöchner

So geht das immer weiter. Wenn eine längere Schnur gewünscht ist, immer wieder neue Fasern überlappend an den alten Strang legen und verzwirbeln. Ist die gewünschte Länge erreicht, die Enden verknoten, damit die Schur sich nicht auflöst.

Fertige Brennnessel-Schnur Foto: Heidrun Johner-Allmoslöchner

Quellen

  • Aichele/ Schwegler; Der Kosmos Pflanzenführer; Franckh-Kosmos Verlags-GmbH&Co 1987 ISBN: 3-86047-394-8

  • Bühring, Ursel; Alles über Heilpflanzen; Ulmer Verlag 2007 ISBN: 978-3-8001-4979-7

  • Bühring, Ursel; Aus Freya`s Zaubergarten 1 Edition Achillea1992

  • Das Beste; Geheimnisse und Heilkräfte der Pflanzen; Verlag Das Beste aus Readers Digest AG 1980 ISBN: 3-7166-0026-1

  • Fischer-Rizzi, Susanne; Medizin der Erde; Heyne Verlag 11/99 ISBN: 3-453-16245-5

  • Fitschen/Schmeil; Flora von Deutschland; Quelle&Meyer Bestimmungsbücher 1987 ISBN: 3-494-00327-0

  • Kreuter, Marie-Luise; Der Biogarten; BLV Verlag 1993 ISBN: 3-405-13505-2

  • Künzle,Johann; Das große Kräuter-Heilbuch; Verlag Otto Walter AG Olten 1995; ISBN: 3-530-49205-1
  • Landlust Mai/Juni 2009; Landwirtschaftsverlag GmbH, 48084 Münster – Hiltrup ISSN: 1863-8074

  • Maby, Richard; Das große Buch der Kräuter; BLV Verlag 1993; Bestellnummer: 065169
  • Recht/Wetterwald; Ernte am Wegrand; Ulmer Verlag 1985/1997 ISBN: 3-8001-6867-7

  • Richberg, Inga-Maria; Altes Gärtnerwissen wieder entdeckt; BLV Verlag 1996 ISBN: 3-405-15040-x

  • Ritter, Claudia; „ Heilpflanzen Signatur und Botschaft“ 2016 Eugen Ulmer KG ISBN: 978-3-8001-0394-2

  • Scherf, Gertrud Dr.: Die geheimnisvolle Welt der Zauberpflanzen und Hexenkräuter; BLV Verlag 2007 ISBN: 978-2-8354-0260-7

  • Storl, Wolf-Dieter; Heilkräuter und Zauberpflanzen zwischen Haustür und Gartentor; AT Verlag 2000 ISBN: 978-3-85502-693-7

  • Storl, Wolf-Dieter; Der Kosmos im Garten; AT Verlag 2001 ISBN: 978-3-85502-735-4

  • Stumpf Dr., Ursula; Kräuter für Körper und Seele, 20 heimische Pflanzen mit allen Sinnen entdecken; VAK Verlags GmbH Kirchzarten bei Freiburg 3. Auflage2012; ISBN: 978-3-935767-24-8

  • Stumpf Dr., Ursula; „Pflanzengöttinnen und ihre Heilpflanzen“; Franckh-Kosmos Verlags GmbH&Co.KG, Stuttgart 2010 ISBN: 978-3-440-12236-5

  • Stumpf Dr. Ursula; Meine Pflanzenmanufaktur, Bewährte Traditionen neu entdecken; Franckh-Kosmos Verlags-GmbH&Co.KG, Stuttgart 2016 ISBN:978-3-440-14520-3

  • Thun, Maria; Erfahrungen für den Garten; Kosmos Verlag 1994 ISBN: 3-440-06738-6

  • Weed, S.Susun; HeilWeise Teil 2 Grüne Verbündete und Tiefe Wurzeln; Brennnessel-Selbstverlag, c/o Arkuna 70197Stuttgart Reinsburgerstraße 194; 1. Auflage 1997

Heidrun Johner-Allmoslöchner, zertifizierte Heilpflanzenfachfrau, Leimen; www.naturwerkstatt-artemisia

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